Möbel bis unter die Decke, eins schöner als das andere – Design-Ikonen und Raritäten, Serienmöbel, Studien, Ausstellungsstücke. Und das nicht von gestern und heute – sondern aus den 1950er- bis 70er Jahren. In einem Plagwitzer Hinterhof? Wie bitte? Nicht nur das: dazu gehört auch noch ein professionelles Team, das voller Hingabe stöbert, rettet und die gefundenen Schätze umfänglich restauriert. Wir stellen vor: die Leipziger nabyteque.



Im stillen, weitläufigen Hinterhof der Naumburger Straße 26 fällt das Metallschild am Haus C kaum auf: „nabyteque“. Vor dem Tor aber parkt ein Transporter, aus dem jemand eilig hölzerne Tische auslädt. Und kaum sind wir die ersten Schritte durch den unscheinbaren Eingang getreten, eröffnet sich eine ganz eigene, beeindruckende Welt – eine Welt voller Möbel. Bis unter die Decke stapeln sie sich hier, und die Decken sind hoch! „Nábytek“, das heißt auch „Möbel“ auf tschechisch. Und um die dreht sich hier alles.
Vom Ankauf übers Restaurieren bis hin zum Verkauf
Aus einem schmalen Gang zwischen aufeinander gestapelten Kleiderschränken kommt uns Kris Sullivan entgegen. Er hat zusammen mit Björn Hinrichsen 2017 die „nabyteque“ ins Leben gerufen – eigentlich eher zufällig, die Liebe zu formschönen Möbeln aus den 1950er- bis 1970er Jahren aus der DDR und Osteuropa brachte sie zusammen. Sie gaben ihre jeweiligen Studien auf, fuhren durch ganz Deutschland auf der Suche nach Vintage-Schätzen und brachten sich selbst mit viel Hingabe das Restaurieren bei. Heute arbeitet ein halbes Dutzend Leute in Werkstatt, Showroom und Lager, es wird gespachtelt, gekittet, furniert, gefügt und lackiert, und schließlich auch professionell fotografiert. Der Radius der „Schatzsuche“ hat sich bis nach Tschechien ausgeweitet, die Kunden kommen – auch dank des umfangreichen Webshops – inzwischen aus der ganzen Welt.

Kris zeigt und erklärt uns die Abläufe: „Meistens werden wir von Familien kontaktiert, oft auch von Einzelpersonen, die Einzelstücke oder ganze Einrichtungen in wertschätzende Hände abgeben wollen – nicht selten zusammen mit einem guten Stück Familiengeschichte. Oft stammen die Möbel von den (VEB) Deutschen Werkstätten Hellerau oder auch aus DDR-Möbelwerkstätten in Gera oder Zeitz.“ Manches finden er und seine Mitstreiter auch auf Flohmärkten. Die Stühle, Tische oder Kommoden sind in den unterschiedlichsten Zuständen und haben größeren oder kleineren Restaurierungsbedarf. In der Werkstatt werden sie entsprechend aufbereitet und dann wieder verkauft. „Kleinere Reparaturen kann man auch selber durchführen. Ausgebrochene Kanten lassen sich mit Reparatur-Wachs kitten, und oft ist mit dem Einsatz von etwas Möbelpolitur schon viel getan.“ Um alles, was darüber hinausgeht, kümmert sich die nabyteque. Aus einem Fundus an Einzel- und Ersatzteilen – Griffen, Leisten, Schlüsseln – können fehlende Elemente originalgetreu wieder ergänzt werden. Stühle werden neu gepolstert und bezogen, Glasscheiben ersetzt, Oberflächen neu behandelt oder ausgetauscht. Das geschieht in der Hauptsache nach den historischen Vorbildern – und Kris weiß ganz genau, wie welches Möbel aussah, als es gefertigt wurde – oder aber ausnahmsweise auf Kundenwunsch.

Verliebt in ein Möbelstück – und nun?
Das bedeutet für Euch: wenn Ihr zum Stöbern in die nabyteque kommt und Euch in ein Sideboard verliebt, kann es auch nach Euren Vorstellungen aufgearbeitet werden. Oder der Sessel bekommt einen Stoff in Eurer Wunschfarbe. Die Restaurierung dauert in der Regel 15 Wochen, die Preise der aufgearbeiteten Stücke starten bei etwa 350,- €. Ihr könnt auch einen eigenen „Patienten“ bei Euch zu Hause abholen lassen und bekommt ihn dann in neuem Glanz zurück geliefert. Das Ergebnis ist in jedem Fall ein handwerkliches und gestalterisches Schmuckstück für die Ewigkeit.

Hier kommen wieder unsere sieben Kriterien für eine nachhaltige Kaufentscheidung zum Tragen, erinnert Ihr Euch? Neben dem Material, dass bei den beschriebenen Möbeln meist Holz oder Schichtholz ist und immer hochwertigst verarbeitet wurde, besticht hier natürlich die Gestaltung, die beständig, oft modular, langlebig, reparaturfreudig und zeitlos ist. Bei der Herstellung wurden die Möbel meist reversibel gefügt, mit geschraubten oder gesteckten Verbindungen. Das macht sie gut transportabel und – irgendwann – auch gut recyclebar. Aber: wer will das schon, sich von so einem Lieblingsstück wieder trennen? Nicht umsonst werden gerade diese Möbel immer wieder weitergegeben und weiterverwendet. Ihre lange Nutzungsdauer, das zeitlose Design, die hochwertige Verarbeitung und die Möglichkeit zur Wiederverwendung machen sie zum idealen Begleiter für viele Generationen. Ein Glück für Kris – und für uns!
Geschichten über Geschichten
Wir entdecken immer wieder Stücke, die wir uns näher anschauen müssen, und verstehen, dass in dem scheinbaren raumhohen Chaos ein strenges System steckt. Kris kann zu jedem Stuhl mehr als eine Geschichte erzählen. Aus ihm sprudeln Namen und Daten die verraten, wie tief er im Thema steckt. Er hat viel Zeit im Sächsischen Staatsarchiv in Dresden verbracht und besonders zu den Produkten der Deutschen Werkstätten Hellerau recherchiert. Über Bestell-Listen, Messeplanungen und alte Rechnungen hat er Stück für Stück Informationen zusammengetragen, vor allem zu Möbeln, die nicht oder nicht lange in Serie produziert wurden. Das hilft bei der Aufarbeitung (wie sah der Schrank im Original aus?) und gibt natürlich auch einen tiefen Einblick in die Entstehungszeit.
Besondere Lieblingsstücke
„Verkaufsschlager“, wie die wunderbaren Möbel der Serie 602 des (Bauhaus-)Architekten Franz Ehrlich finden sich häufiger, aber manchmal tauchen auch Stücke auf, die sehr selten sind oder die sich partout nicht zuordnen lassen. So steht auf einem Podest ein schlichter Holzstuhl, den ihr bei genauerem Hinsehen vielleicht aus dem Museum kennt. Der sogenannte „Menzel-Stuhl“ besticht durch seine schlichte Schönheit, wurde in den 1950er Jahren von den Deutschen Werkstätten Hellerau aus 29 Lagen verleimtem Furnierschichtholz hergestellt und kommt ohne eine einzige Schraube aus. Da er nie in Serie ging, gibt es nur einige wenige Exemplare davon.

Wir streichen einmal andächtig über die überarbeitete, seidenglatte Sitzfläche – und stellen die Frage dann doch: „Kris, was ist hier Dein aktuelles Lieblingsstück?“ Er zeigt uns einen wunderbaren Schlafzimmerschrank, der sich nach anfänglichem Rätseln als Entwurf des Architekten Bruno Paul entpuppte – einem der Wegbereiter moderner Architektur und Gestaltung in Deutschland. Das außergewöhnliche, dunkle Furnier wartet noch auf seine Überarbeitung. Wir sind sehr gespannt, welches Kleinod sich durch die Arbeit von Kris und seinem Team aus diesem noch etwas staubigen Möbelstück entpuppen wird – und welchen Weg es danach geht. Nicht nur deswegen schauen wir vermutlich bald wieder hier vorbei. Und Ihr?

Fazit
Ein Muss für alle, die Design der 1950er bis 1970er Jahre lieben, egal ob aus der DDR oder osteuropäischen Ländern. Stühle, Schränke, Sideboards, Sessel und auch die eine oder andere Lampe findet Ihr hier in diesem wundervollen Sammelsurium. Das Team hat nicht nur Ahnung von den Hintergründen, sondern ist auch fachlich versiert, was die Reparaturen und das perfekte Finish betrifft. Und: sollte nicht das passende Stück für Euch dabei sein, lässt sich aus dem Fundus von hochwertigen Einzelteilen vielleicht Euer Wunschmöbel entwickeln. Bringt Zeit mit!
Kontakt:
Nabyteque Workshop / Showroom
Naumburger Str. 26, Haus C
D-04229 Leipzig
Web: https://nabyteque.de/en/
Insta: www.instagram.com/nabyteque
Online-Shop: https://www.kleinanzeigen.de/pro/Nabyteque