Eine leuchtend blau-gelbe Farbexplosion, eine Reise durch die Zeit, ein oranger Himmel voller Leuchten, fliegende, seidene Blüten, ein Kuchenbuffet und ein buntes Kinderland voller Designklassiker? Klingt wie ein verrückter Traum? Ist aber ganz wunderbar real – im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg!



Als feststand, dass wir die nordstil in Hamburg besuchen war klar, dass wir auf jeden Fall dem Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg einen Besuch abstatten. Nicht, weil es nur einen Katzensprung vom Hauptbahnhof entfernt liegt! Sondern weil dieses Museum auf ganz besondere Art Altes und Neues verbindet und für alle, die sich auch nur ein bißchen für Gestaltung interessieren, ein wunderbarer Ort ist, an dem man an vielen Stellen einfach nur stehen und schauen möchte.
Frisches Design in ehrwürdiger Hülle
Das wuchtige Haus am Steintorplatz stammt von 1876 und wirkt von außen eher wie eine klassische Schule – tatsächlich teilte sich die Sammlung das Gebäude von Beginn an mit mehreren Schulen für Bauhandwerker, Maschinenbauer, Techniker, Handarbeiter und Zeichner und wurde erst nach und nach ein reines Museum.

Aber schon nach den ersten Schritten ins Foyer verschwindet der äußere, reservierte Eindruck, denn wir stehen mitten in einer Farbexplosion: strahlend gelbe Schränke und Wände, dazu leuchtend blaue Tische und Stühle – diese Begrüßung (innenarchitektonisches Konzept: Studio Besau-Marguerre, Hamburg, Lichtkonzept: Licht01, Hamburg) ist ein Fest! Wir sind versucht, hier einfach sitzen zu bleiben und zu schauen. An das Foyer schließt sich der „Freiraum“ an – ein offener, multifunktionaler Arbeitsbereich. Die Sitzgruppen, Arbeitstische und die kleine Tribüne (Konzept: Constructlab, Berlin) wirken so einladend, dass man sich direkt zu einem Brainstorming niederlassen möchte. Aber wir wollen ja die Ausstellung sehen!

Fast 150 Jahre Geschichte schöner Dinge aus der ganzen Welt
Die Dauerausstellung des Museums – ein Rundgang – führt uns durch mehrere verschiedene Epochen. Wir schlendern vorbei an barockem Porzellan und historischen Musikinstrumenten, staunen über Möbel von Charles Rennie Mackintosh, freuen uns über ein Wiedersehen mit Margarete Schütte-Lihotzkys „Frankfurter Küche“ von 1926, betrachten andächtig ein japanisches Teehaus und sind fasziniert von Modefotografien der 1960er Jahre.

An manchen Stellen wünschen wir uns mehr Tiefe – mehr Beispiele oder Erläuterungen. Darüber hinweg tröstet der unglaubliche Umfang der Sammlung über alle Grenzen und Arten hinweg. Alle Räume sind wunderbar beleuchtet und die Exponate beeindruckend in Szene gesetzt. Zwischen dem Rundgang durch die Epochen der ständigen Ausstellung schauen wir auch in die aktuellen Sonderausstellungen. Besonders schön: das Thema „Feste Feiern! Athen – Rom – Wacken“! Eine wunderbare Präsentation mit vielen witzigen Details.
Stilvolle Pause
Eine Pause machen wir in der „Destille“, dem hauseigenen Restaurant. Auch hier möchte man eigentlich nur sitzen und schauen, so schön sind Raum und Ausstattung. Aber das Essen (Tagesgericht oder umfangreiches Buffet, tolle Kuchen) ist auch der Knaller!
Ein oranges Design-Feuerwerk
Nach der wohl verdienten Stärkung geht es noch einmal ins zweite Obergeschoss – die Spiegel-Kantine ist natürlich ein Muss! Dabei hat sie nichts mit gläsernen Spiegeln zu tun, sondern ist ein Entwurf des dänischen Architekten und Designers Verner Panton von 1968 im Auftrag des Spiegel-Verlages. Die komplette (denkmalgeschützte) Einrichtung ging 2011 als Schenkung an das Museum und wurde dort detailgetreu wiederaufgebaut. Decke, Boden, Leuchten und Möbel strahlen in Orange, Pantons ikonische Leuchte „Flower Pot“ ist dabei ein zentrales Element. Wir sind hingerissen!

Pssst: schwebende Schönheiten
So langsam wird es Zeit für uns. Auf dem Weg nach unten entdecken wir aber noch etwas ganz Wunderbares: die Installation „Shylight“ (Studio DRIFT, Amsterdam, 2006) verzaubert uns mit Klang und Bewegung. Seidene, mehrlagige Leuchtenschirme heben und senken sich im Treppenauge, öffnen und schließen sich grazil und leise. Stehen und schauen – schon wieder?! Wir müssen los!

Großes Programm für kleine Leute
Zum Schluss noch ein Tipp, falls Ihr mit Kindern unterwegs seid: im Untergeschoss des Museums gibt es das „Kinderreich“ – und bei einem kurzen Blick in diese Räume wurden wir schon ein bisschen neidisch, dass wir offensichtlich nicht in die angegebene Altersspanne passen (5 bis 12 Jahre). Wir würden hier auch gern unter Anleitung erfinden und konstruieren oder fotografieren, Trickfilme erstellen und uns verkleiden! Achtung: vorher die Öffnungszeiten erfragen und Euch ggf. anmelden.

Im leuchtend gelb-blauen Entre holen wir unsere Sachen aus dem Schließfach und verabschieden uns. Nochmal ganz kurz – Ihr wisst schon – stehen und schauen… und dann auf zur nordstil. Tschüss, MKG und bis ganz bald!
Fazit
Absolute Empfehlung. Ideal für einen Überblick über internationale Gestaltung von der Antike bis zur Gegenwart im europäischen, ostasiatischen und islamisch geprägten Kulturraum mit vielen, auch überraschenden Beispielen. Dazu ergänzend tolle Veranstaltungen und Sonderausstellungen mit aktuellem Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung. Bringt Zeit mit oder verteilt den Besuch auf zwei Tage. Unabhängig vom Inhalt sind die (Innen-)Architektur, Beleuchtung und Ausstattung des Hauses ein Genuss. Viel Vergnügen!